Die Burg.
Nur sehr Ortskundige kennen den Weg zu ihr; ein enger Pfad schlängelt sich zu ihr hinauf. Ein Ort vieler alter Legenden.
© Hauptstaatsarchiv Baden-Württemberg.
Kein Schild weist die Richtung. Selbst viele Bewohner der umliegenden Dörfer, einst vermutlich beherrscht von den Herren dieser Burg, kennen sie nicht; nicht mehr.
Ein historischer Ort, der in den vergangenen Jahrzehnten immer mehr aus dem Bewusstsein verschwunden ist. Welcher Kontrast noch zum Jahr 1592, als im Auftrag des Herzogs von Württemberg einer der frühen Kartografen mit seinen Mitarbeitern auszog, um die herzoglichen Lande zu dokumentieren. Während man die meisten Burganlagen der damaligen Zeit vergeblich auf seiner Karte sucht, hat der Kartograf Georg Gadner den Hohengenkingen, schon damals Ruine, prominent verzeichnet. Man meint sogar, bauliche Details erkennen zu können. Ein Zufall?
Viele lokale Sagen kreisen um diese Burg; es sind ferne Erinnerungen an einen Ort, der einst für die Menschen der Umgebung eine große, mittlerweile in Vergessenheit geratene Bedeutung hatte.
Diese Burg scheint eine von vielen zu sein und ist es doch nicht.
Die Mauern, die früher einmal stattlich gewesen sein müssen, sind weitestgehend abgetragen. Die Bauern der Umgebung haben sie, so war es damals üblich, Stein für Stein abgebrochen, um unten im Tal ihre Höfe daraus zu bauen. Aber nicht ganz. Immer noch gibt es Reste. Immer noch gibt es Fundamente, Wehrmauern und Turmmauern, unter Erde begraben, von Moos überwachsen.
So könnte man es auch belassen – drohten nicht jetzt auch diese letzten Zeugnisse zu verschwinden.
Sie verschwinden, bevor wir verstanden haben, was sie bedeuten.
Dieses Mal sind es keine Bauern, die die Burg abtragen. Es ist der Klimawandel. Die enorme Trockenheit und die Hitze setzen der Burgruine zu. Die steigenden Temperaturen entziehen dem Mörtel der Mauerzüge die Feuchtigkeit und lassen sie bröseln. Mauern, die vor 35 Jahren noch anderthalb Meter hoch waren, sind jetzt auf wenige Zentimeter geschrumpft. Sie sind eingestürzt, in sich zusammengebrochen; überall auf dem Areal der Ruine stößt man auf neue, helle Schuttfächer.
Wenn nichts geschieht, werden in wenigen Jahren die letzten Erinnerungen an diese historische Stätte ganz verschwunden sein und damit auch ein weiteres Stück Erinnerung daran, wer wir einst waren und wie wir zu denen wurden, die wir heute sind. Geschichte ist kein Luxus. Geschichte ist das Mark in unseren Knochen, die fortwährende Auseinandersetzung mit unserer Identität.