Nächste Schritte

Nächste Schritte – ein Forschungsausblick.

Wie die Reise weitergehen könnte. Ein Ausblick auf geplante Forschungsprojekte, für deren Finanzierung wir an dieser Stelle werben.

Wir wollten uns weiter sehr behutsam der Burg annähern, doch der Sturm vom 24. August hat nicht nur die meisten Bäume auf der Berghöhe umgeworfen, sondern auch unsere Pläne. Die bis zu hundert Jahre alten Bäume haben mit ihren gewaltigen Wurzeltellern an vielen Stellen den Untergrund aufgerissen. Überall klaffende Krater. Die gilt es so schnell wie möglich zu untersuchen, weil sonst Informationen, die die Erde birgt, unwiederbringlich verloren gehen.

Dabei geht es nicht um spannende Einzelfunde, sondern darum, dass die ursprüngliche Schichtung der Sedimente und Bauphasen in einem möglichst guten Zustand erhalten bleibt. Denn sie und nicht nur die Einzelfunde sind unsere „Zeitmaschine“. Für die Forscher sind sie wie ein Buch, indem in den Jahrhunderten zurückgeblättert werden kann.

Unsere größte Sorge: das große Stück Ringmauer, das akut vom Abrutsch und Einsturz bedroht ist. Sie liegt im Wald verborgenen, gehört aber zu den ältesten Mauern der Region.

Wir suchen Paten, die uns bei der Stabilisierung und Reparatur des Denkmals unterstützen.

Für das Frühjahr 2024 planten wir ursprünglich, den Mittelabschnitt der Burg zu vermessen und zu dokumentieren. Eine zweite Forschungswoche. Gleich im Anschluss soll die Burg im Mittelpunkt einer universitären Lehrveranstaltung stehen. Mit einer Gruppe Studierenden soll die weitere Umgebung der Burg abgelaufen und erfasst werden. Immer noch ist unklar, wo die Burg anfängt und wo sie endet. Die meisten Burgen, die Forscher in den letzten Jahren näher untersuchten, waren sehr viel weitläufiger als angenommen. Das System Burg ist vor allem auch ein Wirtschaftssystem. Die Burg war in vielen Fällen ein Betrieb, der Einnahmen generierte, Mittelpunkt einer großen landwirtschaftlichen Produktionseinheit mit Zugehör und Gebäuden. Oft prägte sie auch ihr Umfeld kulturell. Eine Burg hatte Strahlkraft in vielerlei Beziehungen. Deshalb ist es so wichtig, sich unsere Burg einmal in einem größeren Maßstab anzuschauen.

Zudem ist von der Universität eine Lehrgrabung geplant, bei der an fünf, sechs Stellen zum ersten Mal bis zum Fels hinuntergegraben werden soll. Um zum ersten Mal dem wahren Alter der Burg auf den Grund zu kommen. Schon jetzt  verdichten sich die Hinweise: die Burg ist älter als gedacht.

Die detaillierte Projektskizze von Dr. Sören Frommer

Archäologische Erforschung der Burg

Wie gehen wir vor?

Nach jedem abgeschlossenen Teilprojekt wird sorgfältig geprüft, wie sich Fragen, Ansätze und Methoden weiterentwickeln lassen und wie die Möglichkeiten und Wünsche unserer Partner eingebunden werden können. Es werden jeweils lediglich die nächsten Schritte klar umrissen, zumal der Umfang des archäologischen Forschungsprojekts sich natürlich nach den vorhandenen Mitteln richtet.
Unabhängig davon, wie umfangreich unser Projekt im Endeffekt ausfällt – es wird in jedem Fall mit einer wissenschaftlichen Auswertung abgeschlossen und publiziert: Die Publikation findet zweigleisig statt. Bei der wissenschaftlichen Publikation geht es darum, den Fachkollegen Daten und Belege für unsere Arbeitsweise und Ergebnisse bereitzustellen. Die reich illustrierte populärwissenschaftliche Publikation richtet sich an Laien und stellt die historische Deutung in den Vordergrund.

Bereits durchgeführt

Vermessung Winter 2021/22

Ein wichtiger Schritt zur Schaffung einer modernen Arbeitsgrundlage ist bereits getan: Durch Vermittlung des Landesamts für Denkmalpflege führte die FH Biberach unter Leitung von Prof. Quasnitza eine umfangreiche studentische Vermessungsübung durch. Die Kernburg wurde mit Laserscan dreidimensional aufgenommen und in ein Höhenlinienmodell überführt. Mauerreste, Schuttstrukturen und Wege wurden tachymetrisch eingemessen. Darüber hinaus stellt uns das Landesamt für Denkmalpflege Oberflächendaten des Berges und seiner Umgebung zur Verfügung, die vom Flugzeug aus durch LIDAR (Light detection and ranging)-Messungen gewonnen wurden. Aus diesen lassen sich in einem Geografischen Informationssystem (GIS) z. B. historische Sichtbeziehungen rekonstruieren. Dabei lässt sich auch die Höhe der Bezugspunkte variieren: Ein 1,80 m großer Mensch auf dem Boden sieht etwas anderes, als wenn er in 20 m Höhe auf einem Turm Wache hält.

Geomagnetische Prospektion März 2023

Parallel zur ersten Kampagne der „archäologischen Bestandsaufnahme“ wurden durch das Landesamt für Denkmalpflege geomagnetische Prospektionen auf zwei verebneten Bereichen in der nördlichen Burghälfte (Bereich eh. Palas?, Bereich nordöstliche Vorburg) durchgeführt. Bei einer geomagnetischen Prospektion werden ohne Eingriff in den Boden Unterschiede im magnetischen Feld gemessen. Auf diesem Weg können z. B. Verfüllstrukturen oder Brandstellen identifiziert werden. Ergebnisse liegen aktuell noch nicht vor.

In Arbeit

Archäologische Bestandsaufnahme März 2023

Im März 2023 haben wir in Zusammenarbeit mit der Universität Tübingen die erste einwöchige Kampagne einer archäologischen Bestandsaufnahme durchgeführt. Im schmalen Zeitfenster, nachdem der Schnee auf der Burg geschmolzen war, das junge Grün aber noch nicht überhandgenommen hatte, haben wir in einem kleinen Team von 4 Personen im südlichen Teil der Kernburg die obertägig sichtbaren Baureste, aber auch die damit verbundenen Felsstrukturen näher in Augenschein genommen. Dabei haben wir noch nicht gegraben, sondern uns auf das Wegblasen der bedeckenden Laubschicht beschränkt. In insgesamt 5 „Schnitten“ wurden jeweils um die 1000 Fotos der gereinigten Fläche aufgenommen – jeweils möglichst senkrecht zum Objekt und sich um mindestens ein Drittel mit dem Nachbarbild überlappend. In steilem oder schlecht zugänglichem Gelände kam eine Teleskopstange zum Einsatz, die Aufnahmen wurden per Fernsteuerung ausgelöst.
Die Fotos werden im Büro mittels einer Spezialsoftware zu 3D-Modellen prozessiert (structure from motion = SFM), die über am Objekt angebrachte Messpunkte georeferenziert (absolut im Raum verortet) werden. Aus den Modellen lassen sich dann beliebige maßgerechte Planansichten erstellen – auch noch zu einem späteren Zeitpunkt. Wichtig sind für uns vor allem die Aufsicht von oben (Planum) sowie vertikale Ansichten von den verschiedenen Seiten (Profile).
Nach Abschluss der fotografischen Dokumentation, zu der auch traditionelle Aufnahmen mit Nordpfeil, Maßstab und Fototafel gehören, dokumentieren wir unseren „Befundungsprozess“ im Video. Wir diskutieren im Team, wie sich innerhalb unseres Dokumentationsobjekts einzelne Befunde (Mauern, Baufugen, Putzschichten, Einbauten, Schuttkomplexe, Brandereignisse, Gruben, Laufhorizonte etc…) aufzeigen und voneinander abgrenzen lassen und wie diese sich schichtenkundlich zueinander verhalten (was ist älter, was ist jünger?). Argumente und Gegenargumente werden ausgetauscht, ein gut begründeter Widerspruch ist oft hilfreicher als maue Zustimmung. Ein gutes Video erlaubt im Nachhinein noch Änderungen der Befundung – zum Beispiel durch vor laufender Kamera vorgenommene Sedimentvergleiche oder die Veränderung von Befundgrenzen beim Nachputzen. Anschließend beschreiben wir die Befunde, denen wir jetzt eine laufende Nummer zuordnen, und bestimmen ihr zeitliches Verhältnis zueinander. In einer Fotoskizze tragen wir Befundnummern und -grenzen ein. Aus dieser Skizze und der zugehörigen SFM-Dokumentation werden dann am Computer unsere Pläne erstellt. Beschreibende und räumliche Dokumentationsteile werden dabei in einer Datenbank miteinander vernetzt.
Von allen geeigneten Mauern und Schuttschichten werden Mörtelproben genommen. Dabei achten wir sowohl auf sichere Zuordnung zum Befund aber auch auf einen möglichst geringen Eingriff. Besonders gut auswertbar sind Mörtelstücke, wenn sie eine gewisse Größe (ab ca. 2 cm) erreichen und zusammenhalten. Im Büro werden die Stücke, bevorzugt im Bereich frischer Brüche, mit einem handelsüblichen USB-Mikroskop seriell fotografiert. Über die optischen und materiellen Eigenschaften werden ähnliche Stücke zu Gruppen zusammengefasst. Auch wenn diese Gruppen die historischen Mörtel nicht eins zu eins widerspiegeln, so können sie doch einen sehr wertvollen Beitrag zur Analyse der Bauphasen leisten.
Im März 2023 haben wir gut ein Drittel der einschlägigen Burgfläche auf diese Art und Weise erfasst und aufgenommen. Wir planen aktuell zwei weitere einwöchige Kampagnen im März 2024 und 2025. Danach wird ein maßgerechter Baubefundplan der Gesamtanlage vorliegen, wie er jetzt bereits für die südlichen Burgteile erstellt wurde. Über die Aufarbeitung der Mörtelproben und die vor Ort festgestellte zeitliche Reihenfolge aneinanderstoßender Mauern lassen sich zudem die Hauptbauphasen der Burg vorläufig voneinander abgrenzen.
Die Aufarbeitung der ersten Kampagne ist noch nicht abgeschlossen. Bisher wurden die geborgenen Funde bearbeitet und in der Datenbank erfasst. die 3D-Modelle prozessiert, die Plana, was die Baubefunde angeht, abschließend befundet und ein Baubefundgesamtplan erstellt. Bauphasen wurden noch keine formuliert, es gibt aber erste Hinweise auf Mehrphasigkeit (so sind im Mauerwerk des Bergfrieds verbrannte Ziegel einer älteren Bauphase verarbeitet).

Nächste Schritte

Archäologische Bestandsaufnahme März 2024

März 2024: Zweite Kampagne der „archäologischen Bestandsaufnahme“. Vor der ersten Lehrgrabung findet eine Zwischenauswertung der Mörtelproben statt, damit wir ein qualifiziertes Konzept für die Erfassung der Baureste während der Lehrgrabung erstellen können.

Studentische Übung März 2024: Begehung von Burg und Burgberg

Bereits während der archäologischen Bestandsaufnahme werden zufällig entdeckte Oberflächenfunde aus der Burgenzeit wie Geschirr- und Ofenkeramik, ggf. auch Glas, Metall und anderes, gesammelt und einzeln eingemessen. Für Baureste wie Ziegel, Mörtel, ggf. auch gebrannten Lehm (z. B. aus verbranntem Fachwerk) ist dies rein zahlenmäßig nicht möglich. Solche massenhaft auftretenden Funde werden von uns nur in Auswahl geborgen, mit dem Ziel, für die künftigen Grabungen passgenaue Erfassungsstrategien zu entwickeln: Wir klären, nach welchen Kriterien und auf welche Art und Weise wir diese Massenfundgattungen in Zukunft erfolgreich dokumentieren. Im Zusammenhang der von uns sorgfältig ausgegrabenen Schichten haben diese Baureste nämlich wichtige Bedeutung: Sie zeigen uns, wie die jeweilige Schicht oder Verfüllung entstanden sein und mit welchen Bauphasen sie in Verbindung stehen könnte.
In einer für März 2024 – im direkten Anschluss an die zweite Kampagne der „Bestandsaufnahme“ – angedachten universitären Lehrveranstaltung wollen wir diesen Dingen systematisch nachgehen: Mit einer größeren Gruppe von Studierenden gehen wir nun auch die anschließenden Hangbereiche großräumig und lückenlos ab, kartieren Einzelfunde und Schuttansammlungen. Auf diese Weise wollen wir verstehen, auf welche Art und Weise der Verfall der Burg vonstattenging und Bereiche abgrenzen, in denen wir über Fundhäufigkeit oder -zusammensetzung besonders gute Chancen haben, etwas zur historischen Burgnutzung herauszufinden.
Auf dem gesamten Berg nehmen wir Stellen in Augenschein, die im LIDAR-Bild, das wir als „Digitales Geländemodell“ (DGM) von verschiedenen Seiten beleuchten können, auffällig werden. Hierbei kann es sich um Reste von Altwegen handeln, um Steinbrüche, Abbaugruben oder technische Einrichtungen – oder um natürliche, geologisch entstandene Strukturen. Wo wir relevante Strukturen finden, werden diese analog zum Vorgehen bei der „Bestandsaufnahme“ mithilfe SFM im Detail dokumentiert.

Vorschau

Lehrgrabungen

Nach entsprechender Aufbereitung der vorbereitenden Maßnahmen können im Sommer 2024 erste Lehrgrabungen der Universität Tübingen stattfinden. Ort und Umfang werden mit der archäologischen Denkmalpflege abgesprochen. Neben unseren historischen Fragestellungen können für die Auswahl der Flächen auch konservatorische Notwendigkeiten eine Rolle spielen, z. B. im Vorfeld der Sicherung eines obertägig erhaltenen Baurests.
Grundsätzlich geht bei den Lehrgrabungen, die ja auch Bestandteil der studentischen Ausbildung sind, Qualität und Sorgfalt vor Geschwindigkeit und Fläche. Durch Grabungen wird – bei allem damit verbundenen Erkenntnisgewinn – ja immer auch ein Teil der historischen Quelle im Boden zerstört.
Grabungen erbringen neben manchmal beträchtlichen Mengen archäologischer Funde vielgestaltige komplexe Dokumentationen. Deren historischer Wert kann erst in einem aufwendigen Auswertungsprozess voll erschlossen werden. So müssen alle dokumentierten Befunde in ein widerspruchsfreies Modell ihrer zeitlichen Abfolge gebracht werden. Die Funde aus den verschiedenen Fundgattungen müssen datiert und in Form und Funktion verstanden werden. Aus den Fundvergesellschaftungen (dem gemeinsamen Auftreten verschiedener Fundgattungen in einem Befund oder Fundkomplex) wird die historische Entstehung der ergrabenen Schichten und Verfüllungen erschlossen. Ein Gesamtverständnis der Burg und ihrer Geschichte wird entwickelt und dem gegenübergestellt, was man aus schriftlichen Quellen erfahren kann. Bei der Bewältigung dieser Aufgaben – welche zeitlich wesentlich umfangreicher sind als die zugrundeliegenden Grabungsarbeiten – sollen studentische Abschlussarbeiten eine wesentliche Rolle spielen.

Archäologische Bestandsaufnahme 2025

März 2025: Dritte und letzte Kampagne der „archäologischen Bestandsaufnahme“.

Interdisziplinäre Lehrveranstaltungen

Gute Archäologie ist immer auch Geschichtswissenschaft. Begleitend zu den archäologischen Forschungen auf dem Hohengenkingen sollen interdisziplinäre Lehrveranstaltungen an der Universität Tübingen stattfinden, in denen angehende Archäolog:innen und Historiker:innen gemeinsam Themen rund um die Burg und ihr historisches Umfeld bearbeiten. Hier geht es darum, die Quellen und Methoden des anderen Fachs kennenzulernen und übergreifende Fragen erfolgreich klären zu können. Im Rahmen einer landeskundlichen Abschlussarbeit soll über Archivrecherchen der Geschichte der Herren von Genkingen und ihrer Einbindung in die historischen Prozesse des Hoch- und Spätmittelalters nachgegangen werden.

Weitere Prospektionen

In Abhängigkeit von den erzielten Ergebnissen ist zu erwägen, ob die geomagnetisch prospektierten Areale auch noch mit anderen Methoden erkundet werden sollen. So lassen sich durch die Messung der elektrischen Leitfähigkeit ggf. unterirdische Schutt- oder Mauerbereiche feststellen (Geoelektrik). Beim Georadar wird der Untergrund auf reflektierende Schichtgrenzen untersucht (Fundamente, Fels, Verdichtungsflächen). Durch die Verbindung unterschiedlicher Methoden lassen sich die obertägig nicht erkennbaren Strukturen meist qualifizierter einschätzen.
Bei entsprechender Fragestellung und Geländeeignung können ggf. auch noch andere Bereiche der Burg geophysikalisch prospektiert werden.

Sören Frommer. Stand: 13. Sep. 2023

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