Schriftquellen. Spurensuche in den Archiven.

Was bisher über die Geschichte bekannt ist. Wie Phantome geistern die Herren von Genkingen durch die mittelalterlichen Urkunden. Wer waren sie? Wer waren die Herren der Burg? Bisher wurde in den Archiven nicht intensiv gesucht – auch ein Projekt, das wir anstoßen wollen.

Was wir bisher wissen: Um 1100 wird in der Zwiefalter Kloster-Chronik des Mönches Berthold erstmals ein Herr von Genkingen genannt. Jener Rather von Genkingen, so weiß der Chronist zu berichten, war zuvor als miles, als Ritter in den Diensten des Grafen Kuno von Achalm gestanden, bevor er im Greisenalter seine Frau und seine beiden Söhne Konrad und Eberhard verlassen hat, um als demütiger Mönch ins Kloster Zwiefalten einzuziehen. Zusätzlich übertrug er seinen Landbesitz in Willmandingen und Kohlberg der heiligen Institution. Warum er dies tat, darüber kann man lediglich spekulieren. Aber die Menschen der damaligen Zeit waren, auch und gerade in Adelskreisen, von großer Frömmigkeit beseelt und schenkten der Kirche oft großen Besitz, um auf diese Weise ihr Seelenheil zu erringen.

Während des sogenannten Investiturstreits zwischen 1073 und 1122 war diese Frömmigkeit besonders verbreitet und ausgeprägt – eigentlich stritten der salische Kaiser Heinrich IV. und Papst Gregor VII. darum, wer das Recht habe, Bischöfe und Äbte einzusetzen – im Grundsatz aber ging es darum, ob der Staat oder die Kirche die Vorherrschaft besaß. Die damaligen Dienstherren der Genkinger, die Grafen von Achalm, waren nun leidenschaftliche Verbündete des Papsttums und deshalb hat vielleicht auch Rather von Genkingen das Kloster Zwiefalten nicht nur mit vier Höfen reich beschenkt, sondern ist selbst in den Dienst der Kirche getreten.

 

Damals jedenfalls gab es vermutlich die Burg Hohengenkingen noch nicht. Da aber jener Rather in der Chronik des Klosters Zwiefalten mit dem Zusatz Genkingen benannt wurde, kann man davon ausgehen, dass der Ort für ihn und seine Familie von zentraler Bedeutung gewesen ist. Wo er dort allerdings seinen Wohnsitz genommen hatte, kann heute nur noch schwer nachvollzogen werden.

Vielleicht handelte es sich um einen so genannten Herrenhof direkt in der Siedlung, wie es zur damaligen Zeit durchaus üblich war. Auf der heutigen Gemarkung Genkingen sind noch zwei weitere frühere kleinere Burgen nachgewiesen. Da über diese bis dato jedoch keine gesicherten Erkenntnisse vorliegen, wissen wir nicht, wann diese entstanden sind. Die Lesefunde dort deuteten darauf hin, dass zumindest eine von ihnen im 13. Jahrhundert bewohnt war und eventuell noch vor dem Jahr 1300 wieder aufgegeben wurde. Die Gründe sowohl für das eine als auch für das andere – sie liegen im Dunkeln.

Vermutlich erst um 1200 zog die Adelsfamilie vom Tal auf den Berg über Genkingen und entstand die „neue“ Burg, der Hohengenkingen. Wo auch immer Rather von Genkingen und seine Familie letztlich ihre Bleibe hatten, alleiniger Herr ist er vor Ort nicht gewesen. Aus einer weiteren Quelle, dem so genannten codex hirsaugiensis, erfahren wir, dass ungefähr zur selben Zeit, als Rather beschlossen hat, ins Kloster Zwiefalten einzutreten, der mächtige Graf Friedrich I. von Zollern die Kirche in Genkingen und allen Besitz, den er dort hatte, an Hirsau, ein anderes einflussreiches Kloster jener Zeit im Nordschwarzwald, zu vermachen.

Damals lenkte schon seit 60 Jahren ein legendäres Herrschergeschlecht die Geschicke der deutschen Lande: die Staufer. Diese stützten sich bei der Ausübung ihrer Herrschaft vermehrt auf Dienstleute, die sie an sich banden. Ministeriale nennt man solche Gefolgsleute mit speziellen Aufgaben. Sie verwalteten etwa einen Teil des Landbesitzes ihrer Herren oder übernahmen militärische Dienste.

Es sind zwar keine direkten Angaben darüber bekannt, ob auch die Genkinger damals zu den direkten staufischen Ministerialen gehörten. Aber Urkunden bezeugen ihre Nähe zu den Grafen von Hohenberg, von Württemberg, den Herren von Ehingen und Verbindungen zu den unter Reichsvogtei stehenden Klöstern Pfullingen und Bebenhausen am Ende des 13. Jahrhunderts. Dies lässt die Vermutung zu, dass die Familie der Genkinger damals zu jenem erlauchten Kreis von Adeligen angehört hat, die von der Forschung zumeist als „Reichsministerialität“ bezeichnet wird.

Aber auch in diesem Punkt stochern wir im Nebel. Zumindest ist bekannt, dass die Genkinger im 12. und 13. Jahrhundert im Gammertinger Raum, 20 Kilometer von der Burg entfernt, als Ministeriale des dortigen Herrschergeschlechtes, der Grafen von Ronsberg, später der Grafen von Berg auftraten, um deren dortigen Interessen zu vertreten.

Ein weiteres Indiz für diese gehobene Stellung der Herren von Genkingen in der Stauferzeit ist der umfangreiche Besitz, über den sie im 13. und 14. Jahrhundert verfügt haben. Es lässt sich aus den Urkunden ablesen, dass die Herren von Genkingen damals größere Teile der Umgebung von Genkingen und auch weit darüber hinaus kontrollierten. Wir wissen über Besitz bzw. einzelne Güter in Belsen, Buch, Steinshofen, Johannisweiler, Oberriexingen, Oberöschelbronn und Rottenburg.

Ihre Besitztümer befanden sich von ihrer Burg aus bis zu 90 Kilometer entfernt.

Es handelte sich hierbei meist nur um kleine Güter, die auch oft nur kurz in den Händen der Familie lagen. Man erfährt oft nur durch Verkaufsurkunden davon und man muss davon ausgehen, dass solche Besitzungen in erster Linie als Verfügungsmasse dienten und diese gegebenenfalls rasch gegen andere Güter getauscht, verkauft oder verschenkt wurden.

Scherben

Auf uns Nachgeborene wirken diese Landschaften sehr fremd. Im 13. Jahrhundert gab es noch kaum „Territorien“, Räume, kontrolliert von einer Zentralmacht. Vielmehr definierte sich Macht und Zugriff über ein Gebiet über einzelne Rechte, wie das Recht auf den Zehnten, den Besitz von Leibeigenen, das Patronatsrecht für die örtliche Kirche oder die Gerichtsbarkeit für einen Ort. Je mehr solcher Rechte jemand besaß, umso uneingeschränkter beherrschte er ein Gebiet. Die Genkinger dürften sehr viele dieser Rechte im Laufe der Zeit innegehabt haben, wie zum Beispiel die Vogtei über die Kirche in Genkingen im Jahr 1300.

Ihr Vermögen speiste sich aber womöglich auch aus der strategisch günstigen Lage ihrer Burg an drei Albaufstiegen – schon damals verschafften sich die Ritter mit Zöllen oder Geleitrechten erkleckliche Nebeneinkünfte.

Im Verlauf des 14. Jahrhunderts aber drehte sich der Wind für die Herren von Genkingen. Denn zwischen 1311 bis 1316, und 1377 bis 1388 wurden sie mit hoher Wahrscheinlichkeit in den ständig schwelenden Konflikt zwischen den Grafen von Württemberg, der Kaiserkrone und der Schwäbischen Reichsstädte hineingezogen. Es liegt nahe, die Zerstörung der Burg in dieser Zeit nach 1377 zu verorten, als die Reichsstädte im Südwesten sich zusammengeschlossen hatten, um den wachsenden territorialen Begehrlichkeiten etwa der Grafen von Württemberg oder dem Kaiser Einhalt zu gebieten.

Sie kämpften im Schwäbischen Städtebund um ihre Freiheitsrechte – und zu diesem Zweck heuerten Reutlingen, Biberach, Ulm und rund 20 weitere Städte ein Söldnerheer an, das sich nicht auf die pure Verteidigung der Städte beschränkte. Es griff Burgen an und zerstörte sie, wie etwa auch die Burg Lichtenstein, Vorgänger des berühmten Schlosses, auf den Höhen über dem Echaztal gelegen.

Die Ritter von Lichtenstein könnten mit den Genkingern in engen Beziehungen gestanden haben. So könnten also auch beim Hohengenkingen Brandpfeile über die Burgmauer geflogen sein, und als hohe Rauchschwaden über der Anlage standen, blieb den Adligen von Genkingen und ihrem Gefolge nur noch, aufzugeben oder zu flüchten.

Es ist durchaus möglich, dass die Herren von Genkingen aufgrund der damaligen Umstände in die Defensive geraten sind und dadurch der unvermeidliche Abstieg des Hauses eingeläutet wurde, wenngleich hier sicherlich noch viele andere Faktoren eine Rolle gespielt haben werden.

Die Urkunden berichten uns in nüchternen Worten, dass das Adelsgeschlecht im Jahr 1428 die Hälfte seines Besitzes in Genkingen – genauer gesagt Gerichtsbarkeit, Weide, Zehnt, Taverne und Mühle – an das Kloster Pfullingen verkaufte oder wohl eher: verkaufen musste. Rund 20 Jahre später folgte auch die andere Hälfte. Die Genkinger hat somit dasselbe Schicksal wie so viele andere kleine südwestdeutsche Adelsfamilien im Spätmittelalter ereilt.

Für sie war im unerbittlichen Ringen um Macht und Einfluss zwischen den großen Territorialherren, Reichsstädten und Kaisern kein Platz mehr übrig. Aus den einstmals stolzen Ministerialen waren nun Bettelritter geworden.

Ein Nachhall dieses Niedergangs könnte sich auch in der Sage vom armen Burgfräulein von Hohengenkingen finden. Darin heißt es: „Dem Burgfräulein waren Vater und Mutter gestorben, und sie hatte auch sonst keine Anverwandten mehr. Da geschah es, dass eine große Teuerung über das Land kam. Das Brot wurde so rar, dass man es kaum mehr mit Geld erschwingen konnte. Das Edelfräulein musste bald ein Grundstück nach dem anderen aus ihrem elterlichen Erbe verkaufen, damit sie sich und ihre Dienerschaft ernähren konnte.“ Am Ende soll sie dem Dorf Genkingen nach ihrem Tod die Burg samt zugehörigem Wald versprochen haben, wenn sie dafür täglich einen Laib Brot und einen Krug Wasser erhalte. Die Genkinger schlugen das Angebot aus, während die benachbarten Undinger beherzt zugriffen. Das sei im Übrigen der Grund, legt die Sage nahe, warum die Ruine Hohengenkingen heute auf der Markung von Undingen liege und nicht von Genkingen.

In der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts erscheint letztmalig ein Vertreter des Genkinger Adelsgeschlechts in den Quellen, dann versiegt die Linie womöglich ganz, jedenfalls sinken die Genkinger endgültig in das Vergessen hinab.

Sic transit gloria mundi – so vergeht der Glanz der Welt.

Zeittafel

1024 bis 1125

Das Geschlecht der Salier stellt die deutschen Könige und Kaiser.

1075 bis 1122

Investiturstreit, bei dem Kaiser und Papst um die Vorherrschaft streiten

1112

Erstmals wird ein Adliger von Genkingen erwähnt: Rather von Genkingen tritt in das Kloster Zwiefalten ein. 

1125 bis 1250

Die Staufer, deren Stammsitz in Hohenstaufen bei Göppingen liegt, herrschen als Kaiser über das Deutsche Reich und Italien.

Vor 1200

Die Adligen von Genkingen leben vermutlich auf einem Herrensitz oder einer kleinen Burg im Ort Genkingen.

Um 1200

Zu dieser Zeit wird vermutlich die Burg Hohengenkingen errichtet.

1190 bis 1443

Die Genkinger treten in diesen 250 Jahren ein Dutzend Mal als Zeugen oder Verkäufer von Gütern in Urkunden auf.

13. Jahrhundert

Blütezeit der Genkinger: das Adelsgeschlecht besaß umfangreiche Güter rund um Genkingen und weit darüber hinaus, etwa in Oberriexingen (Kreis Ludwigsburg) und Rottenburg am Neckar.

Seit der Mitte des 13. Jahrhunderts

Die Grafschaft Württemberg weitet ihr Territorium immer weiter aus und wird zu einem zentralen Akteur im Südwesten. 1495 wird Württemberg zum Herzogtum erhoben.

1377 bis 1388

Schwäbischer Städtekrieg, bei dem rund zwei Dutzend südwestdeutsche freie Reichsstädte gegen die Angriffe etwa der Württemberger kämpfen. Im Zuge dieses Konfliktes könnte auch die Burg Hohengenkingen vom Söldnerheer der Städte zerstört worden sein.

1428

Die Genkinger verkaufen die Hälfte ihres Besitzes an das Kloster Pfullingen.

1447

Wolf von Genkingen und seine Mutter Anna verkaufen auch die zweite Hälfte des Besitzes an das Kloster Pfullingen.

Vor 1500

Letztmalig werden Angehörige der Herren von Genkingen in Urkunden erwähnt.

Verfasst von Christian Kübler & Thomas Faltin

6 Der Rundgang