Unser Projekt.
Uns geht es nicht darum, bloß Mauern zu erhalten. Uns geht es um viel mehr.
© Landesamt für Denkmalpflege Baden-Württemberg/Hochschule Biberach
Wir gehen mit unserem Projekt einen ungewöhnlichen Weg. Privatinitiative ist in der Archäologie immer noch die Ausnahme. Wenn wir nichts tun, tut niemand etwas. Und wir wollen dem Verfall nicht länger tatenlos zusehen. Der Staat kann es nicht alleine. Stünden die Mauern dieser Burg in dem Zentren unserer Städte wie Tübingen, Marburg oder München – längst wäre etwas gegen ihren Verfall getan worden. Das ist noch immer der Unterschied zwischen Stadt und Land.
Wir wollen zweierlei: die Not zur Chance machen. Wir wollen retten und erforschen. Wir sind Archäologen und Geschichtswissenschaftler, wir sind Journalisten und Kommunalpolitiker, wir sind Profis und Laien, die sich für dieses Projekt zusammengetan haben. Dabei werden wir vom Landesdenkamt Baden-Württemberg fachlich unterstützt, mit dem wir uns abstimmen und beraten.
Uns geht es nicht darum, bloß Mauern zu erhalten. Uns geht es um viel mehr.
Archäologen haben selten Zeit. Fast immer arbeiten sie unter enormen Termindruck. Ihr Alltag besteht aus Notgrabungen, zu denen sie gerufen werden, wenn bei Bauarbeiten Relikte aus der Vergangenheit gefunden werden. Doch Bauunternehmer und Investoren wollen in der Regel so rasch wie möglich weiterbauen. Das ist beim Hohengenkingen die Chance in der Not.
Nach allen Regeln der archäologischen Kunst wollen wir versuchen, mehr über die Geschichte dieses faszinierenden Ortes zu erfahren. Auch wir stehen im Wettlauf mit der Zeit, mit jedem Jahr zerfällt die Anlage ein bisschen mehr, doch haben wir deutlich mehr Zeit es als die Forscher in Deutschland sonst haben. Deshalb bietet sich bei diesem Burgendenkmal die Möglichkeit, mehr über das Leben ihrer einstigen Bewohner zu erfahren als sonst Archäologen bei ihren Notgrabungen in Erfahrung bringen können.
Wir wollen wissen, wer sie waren, wie sie lebten, von was sie lebten. Wie sie bauten. Fragen, von denen wir nicht wissen, ob es möglich ist, Antworten darauf zu finden. Wir erhoffen uns Aufschlüsse über den Handel der damaligen Zeit. Die Burg, gebaut in der Zeit, als Burgen an vielen Orten in Mitteleuropa auf den Berggipfeln entstanden, ist eine der Geburtsstätten moderner Verwaltung und Staatlichkeit. Wenig ist bekannt über diese Zeit, aus der kaum Schriftliches überliefert ist. Karge Besitzurkunden, wenige Chronisten, nicht viel mehr. Wichtigstes Zeugnis dieser Zeit bleibt die Erde. Mauern. Ziegel. Scherben.
Es ist unklar, wer die Erbauer waren. Vermutlich waren es die Herren von Genkingen, aber wir wissen es noch nicht genau. Wir wissen nicht, wie sie im Machtsystem des Reiches eingebettet waren, welche Aufgaben sie hatten. Unklar, welche Funktion diese ungewöhnliche Burg hatte, über die wir noch so wenig wissen. Wir kennen noch nicht einmal ihre genauen Ausmaße. Und bei der sich die Frage stellt: Waren die mittelalterlichen Burgherren nicht die ersten, die diesen markanten Gipfel bebauten?
Die Burg ist für Archäologen die perfekte Zeitkapsel. Viele Menschen, unterschiedlichster Gesellschaftsschichten, lebten hier auf engen Raum. Eine Burg erzählt nicht nur vom Adel. Eine Burg erzählt auch von den Bauern, Dienstleuten, Händlern, für die die Burg ebenfalls der Mittelpunkt ihres Lebens war. Eine Burg wie der Hohengenkingen ist, wenn sie unberührt ist, archäologisch wie ein Zentralarchiv für das regionale Umland. Selten hat sich in den Dörfern in den Tälern diese Vielfalt an Informationen erhalten, die sich hier erhalten hat.
Was das Projekt Hohengenkingen für Forscher so besonders spannend macht: Die Anlage wurde nach ihrer Aufgabe nie wieder überbaut. Mehr noch: Weil anzunehmen ist, dass die Burg nicht einfach aufgegeben, sondern plötzlich zerstört wurde, in einer Schlacht in den Städtekriegen im Jahr 1377, in der eine Truppe aus Kriegsleuten vor die Burg zog, sie schließlich stürmte und brandschatzte, gibt es gute Chancen, dass hier der letzte Tag der Burg noch unberührt im Boden liegt.
Der Hohengenkingen also das Monument einer mittelalterlichen Schlacht? Auch sie wollen wir erforschen: Wir wissen nicht, wieviel sich davon erhalten hat. Aber wir haben die Hoffnung am Hohengenkingen mehr erfahren zu können über die Frage, wie im Mittelalter Fehden und Kleinkriege geführt wurden. Sie waren eine Plage ihrer Zeit, der Schrecken der Landbevölkerung, aber, wieder einmal, wissen wir nur wenig darüber: Was bedeutete so eine Fehde wirklich, wie wurden diese Kriege des kleinen Adels im Detail konkret ausgetragen?
Wir arbeiten mit Universitäten und Fachhochschulen zusammen. Das Projekt „Die Burg“ soll auch ein Bildungsprojekt sein. So oft wie möglich wollen wir Interessierte einbinden. Wir wollen fachliche Diskurse und Debatten transparent machen. Wissenschaft hat meist nicht nur eine Antwort. Theorien und Methoden wollen wir transparent abwägen und beschreiben, um auch dem Laien erfahrbar zu machen, was heute wichtiger geworden ist denn je, der aufgeklärte Umgang mit wissenschaftlichen Erkenntnissen. Dazu braucht es mündige Bürger und Bürgerinnen, die verstehen, was Wissenschaft ist: ein fortwährender Diskurs auf der Basis von Indizien.
Es gibt viele Gründe, sich mit uns auf diese Zeitreise zu begeben. Wir laden Sie dazu ein!