Erste Schritte-Aktuelles
Die Reise hat begonnen. An dieser Stelle berichten wir fortlaufend über unsere Arbeit, neue Erkenntnisse, Fortschritte, Sackgassen und hoffentlich nicht zu oft! – Rückschritte.
3D-Modell Mauerturm/© Sören Frommer
Winter 2021/2022
Der Plan
Die Basis für jeden Plan ist – ein Plan. Den gab es bislang für unsere Burg nicht, zumindest keine genauen, weder für den Berg, auf dem sie gebaut ist, noch für die Ruine.
Unser Projekt ist im Winter 2021 formell noch gar nicht gegründet, da beginnt es mit einem großen Aufschlag:
Drei Monate lang, zwischen November und Januar 2021/22, nahm sich eine Studiengruppe der Hochschule Biberach dem Hohengenkingen an. 70 Studentinnen und Studenten erstiegen an mehreren Terminen unter Anleitung des Vermessungskundlers Professor Dr.-Ing. Hans Quasnitza den Berg, um seinen Gipfel, Sitz der Burg, mit Hilfe unterschiedlicher Methoden zu vermessen. Ihr Plan wird Grundlage für alle weiteren Forschungsarbeiten sein.

Sie trugen Laserscanner und Tachymeter mit sich, optische Messgeräte. Professor Quasnitza hatte zuvor das Gelände mit der Ruine für die Studierenden in einzelne Abmessungsbereiche, 70 mal 70 Meter, eingeteilt. Rot-weiß gestrichene Pföstchen, die er in den Waldboden geschlagen hat, Nägel, der er in den Felsen trieb, markieren sie. In Vierer-Gruppen messen die Studierenden Abschnitt für Abschnitt die Oberfläche ein.
Sie vermessen das Gelände mit zwei unterschiedlichen Messverfahren. Das eine ist das tachymetrische Messverfahren, das zweite das terrestrische 3D-Laserscanning. Eine Messung per satellitengestützte GPS/GNSS funktioniert hier nicht, da der Burgberg stark bewaldet ist. Zu viel Bäume blockieren die Signale.
Beim tachymetrischen Verfahren maß das Projektteam einzelne Punkte des Areals und der Höhenlage der Mauerreste ein, um einen Geländeplan zu erstellen. Immer geht es dabei um drei Lagekoordinaten. Die jeweilige Position in Ostwest-Richtung, die in Nordsüd-Ausrichtung sowie die Höhe über dem Meeresspiegel. Dabei nutzte Professor Quasnitza ein globales Koordinatensystem, das die gesamte Erdoberfläche (mit Ausnahme der Polkappen) in 6° breite vertikale Zonen aufteilt, UTM ist sein Kürzel: „Universal Transverse Mercator“.
Der erste Schritt: Ein Student stellt den Tachymeter mit seinem Dreifuß dort auf, wo er eine möglichst große Fläche gut einsehen kann: Das ist auf dem Hohengenkingen nicht einfach, oft mühte sich die Gruppe aus Biberach durch dichten Bewuchs. Oft waren sie gezwungen, den Tachymeter pro Abschnitt drei-, viermal anzusetzen.
Der zweite Schritt: Ein anderer Student läuft dabei mit einem Reflektor-Stab voraus. Er setzt ihn auf die Punkte, die eingemessen werden sollen. Der Reflektorstab birgt ein Prisma, eine Art Spiegel. Bei der Messung entsendet der Tachymeter auf Knopfdruck ein kurzes Lichtsignal, eine elektromagnetische Welle, zum Reflektor, der es dann wieder zum Tachymeter zurückwirft. Über die gemessene Laufzeit und die bekannte, immer gleichschnelle Ausbreitungsgeschwindigkeit elektromagnetischer Wellen (300 000 Kilometer pro Sekunde) kann der Tachymeter die Distanz errechnen. Auf diese Weise schafften sie am Hohengenkingen täglich pro Gruppe an die hundert Messpunkte.
Der Laserscanner misst sehr viel detaillierter. Der Nachteil dieser Methode: Der Scanner kann nicht zwischen Bewuchs und echter Oberfläche unterscheiden. Erst seit Mitte der Neunziger Jahren gibt es diese Technik auf dem Markt. Der Laserscanner tastet das auf dem Hohengenkingen teilweise sehr steile Gelände ab, misst alle 5 Zentimeter, misst millimetergenau, misst pro Sekunde eine Million Punkte, und erstellt aus den vielen Messdaten eine Punktwolke, in der das Gelände rechnerisch wieder seine Form erhält.
Das Ergebnis der Arbeit der Hochschule Biberach ist unter anderem ein beeindruckendes 3D-Modell, das so plastisch wirkt, als hätte man die Bergkuppe mit der Ruine in eine Gussform gegossen. Für die Forschung ist das Modell ein großartiges Werkzeug. Der Laserscan hat das Gelände derart detailliert abgebildet, das je nach archäologischer Fragestellung beliebige Schnitte durch die Gesamtanlage erzeugt werden können.
Die Vermessung des Hohengenkingen, die auf freiem Markt knapp 10 000 Euro gekostet hätte, diente dem Seminar der Hochschule Biberach als Abschlussübung und wurde vermittelt vom Landesdenkmalamt Baden-Württemberg, das die Anfahrtskosten der Studierenden übernahm.
April 2021
Der Rätselstein – eine erste C14-Messung.

Bei einer der ersten Begehungen mit dem Referenten des Landesdenkmalamts, Dr. Mathias Hensch, heute Kreis- und Stadtarchäologe in Uelzen, im April 2021, fiel ein frisch aus der Mauer des Donjon herausgebrochener Mörtelbrocken auf. Das Besondere an ihm: ein Stück Holz, das in ihm die Jahrhunderte überdauert hatte. Das Holz gelangte vermutlich beim Anrühren in den Mörtel. Das Holz ist verkohlt, also Holzkohle. Auch der Mörtel weist Brandspuren auf. „An diesem Stück könnten wir eine C14-Altersbestimmung versuchen“, schlug Dr. Hensch vor. Er schickte das Stück Mörtel, zirka 20 Zentimeter groß, an das Ceza-Institut, das „Curt-Engelhorn-Zentrum Archäometrie“ in Mannheim.
Für die Entwicklung der C14-Methode hatte der Amerikaner Willard Libby 1960 den Nobelpreis für Chemie bekommen.
Alle Organismen nehmen, solange sie leben, Kohlenstoff auf. Kohlenstoff gibt es in drei Varianten, als drei unterschiedliche Isotope, die über eine unterschiedliche Anzahl an Neutronen verfügen: C12, C13 und C14, wobei C für Kohlenstoff steht und die Zahl für die gesamte Anzahl von Protonen und Neutronen. Stirbt ein Lebewesen, nimmt es ab diesem Zeitpunkt kein C14 mehr auf. C14 zerfällt ab jetzt. C12 allerdings bleibt unverändert erhalten. Aus dem Verhältnis von C12 und C14 lässt sich nun das Alter des Fundes bestimmen. Beträgt etwa der Anteil an C14 nur noch 50 % des heutigen Anteils, so kann man folgern: Seit Beendigung der Kohlenstoffaufnahme ist seine Halbwertszeit vergangen, also 5 730 Jahre.
Allerdings darf der Fund nicht älter als 50 000 Jahre sein. Denn dann ist die Menge an C14 einfach zu klein, um sie noch bestimmen zu können.
Je älter ein Objekt ist, desto weniger präzise lässt sich das Alter durch C14 bestimmen. Man kann mit dieser und anderen Methoden radioaktiver Altersbestimmung nie das Alter nie exakt ermitteln, sondern immer nur ungefähr.
Doch das Messergebnis des Mannheimer Labors ist mit jenen Messungenauigkeiten nicht zu verstehen. Das Holzstück im Mörtel vom Hohengenkingen stammt – der Messung zufolge – aus dem dritten Jahrhundert bzw. frühen vierten Jahrhundert. Also aus der Spätantike, einer Zeit, als sich gerade die Römer aus diesen Teil Baden-Württembergs zurückgezogen hatten. Sind die Anfänge der Burg also rund tausend Jahre älter als gedacht? Bislang gibt es keinerlei weitere Hinweise dafür.
Zunächst ging man deswegen beim Landesdenkamt von einem Messfehler aus, was, nach neuerlicher Prüfung der Daten, das Labor jedoch bestritt. Solange keine weiteren Funde aus der Spätantike geborgen werden können, sei der Altersbefund, so Hensch vom Landesdenkmalamt, „archäologisch nicht erklärbar“.
Wir tauften den Mörtelbrocken:
„den Rätselstein.“